Alter Bernhard (geb. 1896 in Warschau) und Fella Haberberg (geb. Kohane aus Krakau) kamen während des Ersten Weltkriegs ins Ruhrgebiet. Alter Bernhard arbeitete zunächst in Dortmund bei Hoesch als Metallarbeiter, bevor die Familie in der Nordstadt ein Herrenkonfektionsgeschäft eröffnete.
Das Ehepaar hatte zwei Söhne, Herbert (geboren 1924 in Lünen) und Manfred (geboren 1932 vermutlich in Dortmund). Als die Situation für Juden immer unerträglicher wurde, entschloss sich die Familie nach Lünen-Brambauer zu ziehen. Die Eltern hofften, in einer kleineren Stadt sei der Hass gegenüber jüdischen Bürgern etwas geringer. Sie führten ein Seifen- und Putzwarengeschäft und wohnten auch in dem Gebäude.
Herbert besuchte bis 1937 die katholische Schule in Brambauer und war dort massiven Schikanen ausgesetzt. So mussten er und seine jüdischen Mitschüler bei einer Wehrübung in einem mit Tränengas gefüllten Schuppen verweilen. Nichtjüdische Schüler trugen eine Gasmaske – die jüdischen Schüler nicht. Herbert wechselte zur jüdischen Schule nach Dortmund.
Im Oktober 1938 wurde Herbert von der Schule nach Hause geschickt. An diesem Tag war sein Vater verhaftet worden und die Familie hatte die Anweisung, sofort ihre Koffer zu packen. Die gesamte Familie wurde zur Steinwache nach Dortmund gebracht. Als sie ihre Wohnung verließen, säumten Schaulustige den Weg und skandierten „Raus mit den Juden!“.
In einer 19stündigen Zugfahrt wurde die Familie mit anderen polnisch-stämmigen Juden in das Lager Bentschen an die polnische Grenze gebracht. Den Menschen wurden Getränke und Nahrung verweigert, erinnert sich Herbert Haberberg: „Leute, die Medikamente einnehmen mussten und so weiter, wurden fast wahnsinnig.“
Die aus Deutschland ausgewiesenen Juden verbrachten einige Tage unter katastrophalen Bedingungen an der Grenze zu Polen, ehe manche von ihnen nach Polen einreisen durften. Die Familie Haberberg wurde an der Grenze auseinandergerissen. Herbert gelang es, zusammen mit einem Onkel nach Kattowitz auszureisen. Seine Eltern und sein jüngerer Bruder mussten im Auffanglager Bentschen zurückbleiben.
In Krakau traf die Familie einige Monate später noch einmal aufeinander. Dann wurden Herbert und sein kleiner Bruder Manfred auf einen Kindertransport nach England geschickt. Die Söhne sahen ihre Eltern nie wieder. Alter Bernhard kehrte noch einmal kurz nach Lünen zurück, um geschäftliche Angelegenheiten zu regeln. Mit Fella musste er zunächst in das Ghetto von Debica ziehen.
Als dieses aufgelöst wurde, sollten die Bewohner ins Vernichtungslager Belzec gebracht werden. Die Männer wurden auf dem Weg dorthin ermordet, so auch Alter Bernhard. Fella starb in der Gaskammer von Belzec.
Herbert und sein Bruder wurden in England voneinander getrennt. Herbert musste auf einem Bauernhof arbeiten, die Bedingungen waren katastrophal. Englisch lernte er dort nicht. Anders als Manfred. Als sich die Brüder sechs Monate später wiedersahen, konnten sie nicht miteinander sprechen: Manfred hatte Deutsch verlernt, Herbert sprach noch kein Englisch.
Später meldete Herbert sich freiwillig bei der britischen Armee und zog gegen Deutschland in den Krieg. Nach Kriegsende kehrte er noch einmal nach Lünen zurück.