In der Cappenberger Straße führten die Eheleute Bernhard und Rosalie Samson ein Geschäft für Haushalts- und Eisenwaren, in dem sie außerdem Geschenkartikel, Öle, Fette etc. anboten. Über dem Ladenlokal lag ihre Wohnung.
Das Geschäft litt stark unter den Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten. Bernhard überlegte immer wieder, das Geschäft zu schließen. Dies wurde ihm seitens der Verwaltung jedoch nicht erlaubt.
Während der Reichspogromnacht drang ein Mob aus Nationalsozialisten in das Haus der Samsons ein. Sie verwüsteten das Ladenlokal, zerstörten Waren und stahlen Dinge aus der Wohnung der Eheleute Samson.
Nur mit einem Nachthemd bekleidet wurde Bernhard Samson auf die Straße gezerrt und dort mit Gewehrkolben schwer verprügelt. Zunächst ließ man ihn bewusstlos zurück, bevor er abgeführt und in “Schutzhaft” genommen wurde. Seine Frau wurde, nur mit einer Decke bekleidet, aus der Wohnung getrieben. Sie lief die ganze Nacht umher, auf der Suche nach ihrem Mann. Zuflucht fand sie schließlich im St.-Marien-Hospital.
Obwohl Bernhard Samson sehr schwer verwundet worden war, traute er sich erst Ende November, eine Ärztin aufzusuchen, die die Schwere seiner Verletzungen bestätigte.
Bereits im Sommer 1938 hatten sich die Eheleute Samson entschlossen, in die Dominikanische Republik auszuwandern. Rosalies Bruder lebte dort mit seiner Frau seit 1936. Bernhard und Rosalie entschlossen sich, dass er zunächst allein ausreisen solle. Erst, wenn er in der Karibik alles vorbereitet habe, solle Rosalie nachkommen.
In seinem schlechten körperlichen Zustand veräußerte Bernhard seinen Besitz. Die Käufer seiner Grundstücke und Häuser erwarben diese zu Preisen weit unter dem tatsächlichen Wert. Der Verkaufserlös wurde jedoch seitens des Oberfinanzpräsidenten eingezogen. Vor seiner Ausreise musste Bernhard außerdem noch Sühneleistungen für Juden und die Judenvermögensabgabe leisten.
Als Bernhard Samson schließlich an Bord eines Schiffes von Hamburg in die Dominikanische Republik ging, war er in körperlich extrem schlechtem Zustand. Zwei Ärzte, die mit ihm an Bord gingen, bestätigten später, dass er an einem unbehandelten Schädelbruch gelitten habe. Am Ziel angekommen, wurde ihm die Einreise aufgrund seines schlechten körperlichen und seelischen Zustandes beinahe verwehrt, wie ein Mitarbeiter der Reederei des Schiffes berichtete. Im Januar 1939 kam er in der Provinz Santo Domingo in ein Krankenhaus, wegen „geistiger Störungen und drückendem Wahnsinn in schwermütiger Form“ wie ein Arzt später bescheinigte. Im April starb Bernhard Samson an den Folgen der in der Pogromnacht erlittenen schweren Misshandlungen.
Rosalie machte sich im Frühjahr auf den Weg in die Dominikanische Republik. Sie plante, Umzugsgut mit zu nehmen, für das sie vorab eine Gebühr zahlen musste.
Letztendlich wurden die Güter nie verschifft, sondern 1941 von der Gestapo eingezogen. Sie selbst war bei der Ankunft in der Dominkanischen Republik völlig mittellos. Alle nötigen Gelder, die sie zur Einreise benötigte, musste sie sich leihen. Bei ihrer Ankunft war ihr Mann Bernhard bereits zwei Monate tot.
1951 kehrte Rosalie nach Lünen zurück. Vermutlich auf Betreiben ihres Schwagers Leopold Samson. Da sie zu diesem Zeitpunkt noch immer vollkommen mittellos war, finanzierte sie sich die Überfahrt als Küchenhilfe. In Lünen gelang es ihr, einen Vergleich mit einem der Käufer ihrer Grundstücke zu schließen. Er willigte ein, ihr eine Rente zu zahlen. Für alle weiteren unter Wert verkauften Grundstücke und Güter konnte sie keine Wiedergutmachung erlangen. Sie erhielt später eine Wiedergutmachung wegen „Schadens im beruflichen Fortkommen“. Rosalie Samson verstarb 1966 in Hannover.