Seit dem 19. Jahrhundert ist Familie Marcus in Werne belegt. Leo Marcus, Sohn von Amalia und Gustav Marcus, trat 1916 in den väterlichen Vieh- und Manufakturenhandel ein, den er nach Tod des Vaters 1930 übernahm. Ab 1917 kämpfte er im Ersten Weltkrieg. 1931 heiratete er Anni Hertz, 1934 wurde ihr Sohn Hans Gustav geboren.
Leo Marcus gehörte zu den wenigen Werner Überlebenden des Holocausts. Seine Mutter und sein Sohn überlebten die NS-Zeit nicht. Anni Marcus litt durch ihre Deportation nach Riga und den Tod ihres Sohnes an einer starken psychischen Erkrankung. Schon bald nach ihrer Rückkehr nach Werne wurde sie in die Psychiatrie in Dortmund-Aplerbeck eingewiesen, wo sie 1949 verstarb. Ihrem Mann Leo war 1939 die Flucht über die Niederlande nach England gelungen.
1947 kehrte Leo Marcus nach Werne zurück, um zu Protokoll zu geben, was ihm während der Reichspogromnacht angetan worden war: Nachdem man ihn gegen Mitternacht aus dem Bett gezerrt hatte, mussten er gemeinsam mit seiner Mutter mit erhobenen Händen im Hausflur stehen, während der Mob die Wohnungseinrichtung zerschlug. Danach wurde er gezwungen, aus dem Fenster auf die Straße zu springen und wurde unter Schlägen zur Synagoge getrieben. Dort sollte er sich auf seinen Platz stellen und schwören, diesen Ort nie wieder zu betreten. Als Marcus sich weigerte, schlug man weiter auf ihn ein. Auf dem Marktplatz wurde er weiter gedemütigt und misshandelt.
Durch die Schläge mit ledernen Schulterriemen und einem Buchenscheit trug Leo Marcus schwere Verletzungen am Auge davon: „Risswunde am Unterlid des rechten Auges. Das Unterlid ist durchgerissen […] Die Risswunde am Auge wurde hier genäht.“ So steht es im ärztlichen Bericht aus dem Christophorus-Krankenhaus vom 10.11.38. Trotz der Behandlung waren die Verletzungen des Auges so stark, dass es später entfernt werden musste.